• Medientyp: Buch; Hochschulschrift
  • Titel: Mignon : die Kindsbraut als Phantasma der Goethezeit
  • Beteiligte: Wetzel, Michael [VerfasserIn]
  • Erschienen: München: Fink, 1999
  • Umfang: 503 S.; Ill; 24 cm
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN: 377053333X
  • RVK-Notation: GK 1221 : k
    GK 1224 : n
  • Schlagwörter: Deutsch > Literatur > Kindfrau > Geschichte 1770-1830
  • Entstehung:
  • Hochschulschrift: Zugl.: Essen, Univ., Habil.-Schr.
  • Anmerkungen: Literaturverz. S. [469] - 495
  • Beschreibung: 'Hier ist das Rätsel!' Mit diesen Worten wird in Goethes epochemachendem Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre die Figur der Mignon eingeführt, ein schätzungsweise zwölfjähriges Mädchen, dessen Geschichte und Auftreten allen Vorstellungen von weiblicher Erziehung der beginnenden bürgerlichen Ordnung zu widersprechen scheint. Elternlos mit einer Gauklergesellschaft herumziehend, verweigert sie sich selbst ihrer geschlechtlichen Zuordnung und beharrt darauf, ein Knabe zu sein. Und dennoch wird diese enigmatische Außenseitererscheinung, der auch ein Eigennamen zugunsten des Allgemeinbegriffs 'mignon' ('lieblich/süß' oder - im Sinne der höfischen Tradition - 'Lustknabe') verweigert bleibt, zum geheimen Zentrum aller Geheimnisse von Bildung und Entwicklung in Goethes Roman: wie das Reif- oder Erwachsenwerden, das Verhältnis von Schicksal und Charakter, die Entscheidung geschlechtlicher Identität oder die Metamorphose des kindlichen Körpers. Als Kindbraut, die noch im Stande kindlicher Unschuld beharrt, aber schon in bräutlicher Leidenschaft entflammt, verkörpert Mignon zugleich ein erotisches Ideal: das von Dantes Beatrice bis Nabokovs Lolita gefeierte Wunschbild von der Liebe zur reinen Mädchenfrau im Übergangsstadium zwischen Kindheit und Reife und als androgyne Verkörperung einer geschlechtlichen Indifferenz. Dieses männliche Phantasma, das in der Tochter-Frau als idealisierter Kunstfigur die Gegenutopie zum Liebesversprechen der reifen Frau entwirft, beginnt die Literatur zwischen 1750 und 1830 nicht nur als erotisches Motiv heimzusuchen, sondern beherrscht auch die pädagogischen, ästhetischen und medizinischen Diskurse. Im Sinne dieser Komplexität wollen die Untersuchungen nicht nur der historischen Frage nachgehen, warum die Obsession der Kindsbraut in jener Entstehungsepoche des Bürgertums ihren Anfang nahm, sondern auch die argumentative Vielschichtigkeit und transdisziplinäre Verbreitung dieses Phänomens aufdecken. Goethes literarische Mignon-Gestalt wird vor dem zeitgenössischen Hintergrund z. B. der reformpädagogischen Modelle von Mädchenerziehung, der ästhetischen Debatte über das Schöne und Erhabene, der medizinischen Diskussion des anatomischen Geschlechtsunterschieds und der sozialhygienischen Kampagnen gegen die Verirrungen des Geschlechtstriebs, aber auch als Zusammenhang der mythologischen Allegorien von 'Kore', 'Persephone', 'Psyche', 'Nymphe' mit Goethes eigenen biologischen Experimenten zur Metamorphose (vor allem bei der Entpuppung von Schmetterlingen) analysiert. Der zweite Teil der Arbeit verfolgt die weitere Entwicklung der Mignon-Figur in der emphatischen Rezeption und Umgestaltung durch die Romantiker.

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